Der Frust ist groß in der Veranstaltunsgwirtschaft. Forderungen sind bekannt, - verhallen aber ungehört. Till Brönner, Kati Witt sowie unzählige Künstler und Unternehmer haben bereits in Videobeiträgen und Texten auf die Lage der Veranstaltungswirtschaft aufmerksam gemacht. Hier ist ein weiterer Beitrag, der die alamierende Situation der Branche verdeutlicht, ein Gastbeitrag von Jan Stoschek und Fotos von Ralf Seffner:
"Es reicht!!!
Mein Name ist Jan Stoschek und ich bin Geschäftsführer der KP Media GmbH.
Nur für alle Fälle vorab – NEIN, ich bin weder ein Corona-Leugner noch ein Alu-Hut, noch ein Verschwörungstheoretiker, noch ein ewig Unzufriedener, noch ein irgendwie in die rechte Ecke verortbares Wesen.
Ich bin einfach ein Unternehmer, der von den politischen Manövern und dem billigen Vertrösten die Nase, bei allem Respekt, gestrichen voll hat.
Seit dem ersten Lockdown im März letzten Jahres wird meinem Unternehmen durch die Pandemie und das folgende Tun unserer politisch Verantwortlichen die Geschäftsgrundlage entzogen – das Unternehmen ist in der technischen Messeausstattung weltweit unterwegs.
Nun – ich bin nicht ohne Grund Unternehmer geworden:
weil ich etwas unternehme, wenn andere Feierabend haben,
weil ich auch dann noch etwas unternehme, wenn die Dinge schwierig werden,
weil ich auch dann immer noch etwas unternehme, wenn sich das Marktumfeld radikal ändert.
Und – weil ich bereit bin, in solcherlei Tun auch noch privates Geld und jede Menge Zeit zu investieren.
Eine Situation, wie sie mit der Corona-Pandemie eingetreten ist, hätte ich mir in meinen kühnsten Träumen nicht vorstellen können – nun gut, höhere Gewalt könnte man argumentieren, einfach dumm gelaufen.
Für die Messetechnik-Branche gehe ich seit geraumer Zeit nicht mehr davon aus, dass im Jahr 2021 noch einmal Geld verdienen werden darf – also blieb und bleibt mir nichts anderes übrig, als mein Geschäftsmodell umzubauen.
Hierbei hatte ich – wie naiv - tatsächlich darauf vertraut, dass die Minister Altmaier und Scholz in der Vorwahlzeit nicht nur immer wieder nur wohlklingende Versprechungen machen, sondern tatsächlich der Wirtschaft – insbesondere dem Klein- und Mittelstand unter die Arme greifen wollen.
Was für ein Fehler. Was für eine Enttäuschung.
Gefangen im Berufsverbot, - so ist die Lager der Menschen in der Veranstaltungsbranche. Foto by Ralf Seffner
Nun – mein Geschäftsmodell habe ich umgebaut und soweit es geht fit gemacht für die Zeit mit und nach Corona.
Von den versprochenen „unbürokratischen“ Hilfen sind bis dato 9.000 € Zuschuss vom Bund für den ersten Lockdown zzgl. 1.000 €, die die Landeshauptstadt Dresden dankenswerterweise zur Verfügung gestellt hat, sowie aus der Überbrückungshilfe I ca. 6.000 € geflossen.
Durch den ersten Lockdown haben
sich in meinem Unternehmen etwa 600.000 € gebuchter Umsatz einfach in Luft
aufgelöst, weil unsere Kunden keine Messauftritte mehr haben bzw. planen
durften.
Alle die Umsätze, die wir im der Zeit nach dem ersten Lockdown neu generieren konnten, darunter auch für Aussteller auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos waren mit dem 2. Lockdown wieder Geschichte.
Mir blieb gar nichts anderes übrig, als Kurzarbeitergeld in Anspruch zu nehmen und mich durch die vielen Seiten der Verordnungen für die Überbrückungshilfe II, der November- und Dezemberhilfe zu arbeiten und versuchen zu verstehen, was der Verfasser denn eigentlich sagen möchte.
Und herauszufinden, ob und unter welchen Bedingungen überhaupt eine Antragsberechtigung besteht und welche Unterlagen dafür in welcher Form benötigt werden.
Und als Krönung – diese Bedingungen ändern sich gefühlt alle zwei Wochen. Hier noch den Überblick zu behalten, kostet Unmengen an ohnehin knapper Zeit. Und jede Menge Nerven – nicht zuletzt auch die meiner Angehörigen.
Ein Kreuz falsch oder nicht gesetzt – „der Antrag ist unvollständig und kann nicht bearbeitet werden“. Kein Hinweis der Verwaltung darauf, was denn fehlt – Herrgott – ich bin Unternehmer, kein Verwaltungsfachwirt.
Übrigens – das Kurzarbeitergeld ist eine gute Sache, kommt aber im Durchschnitt fast zwei Monate später, heißt, ich darf die Bearbeitungszeit der Verwaltung erst einmal vorfinanzieren.
Die Anträge für die November- und Dezemberhilfe habe ich über unseren Steuerberater gestellt - bisher habe ich nur Abschläge bekommen.
4 Monate sind seit Ankündigung der Novemberhilfe mittlerweile rum.
4 Monate, in denen Politik und Verwaltung nicht fragt, wie die Kosten des Unternehmens bezahlt werden und wie meine Lebenshaltungskosten bestritten werden – sprich – wovon ich mich ernähre.
Muss wohl daran liegen, dass sich irgendein Mensch sehr fernab der wirtschaftlichen Realität ausgedacht hat, dass die technische Messeausstattung nur indirekt vom Lockdown betroffen sei. Rein theoretisch könnte man nach deren Meinung auch für Max Mütze und Lieschen Müller arbeiten – wenn – ja, wenn die denn Veranstaltungen durchführen dürften.
Um mal eine Größenordnung zu geben – der November und Dezember 2019, also die sogenannten Referenzmonate, erbrachten einen antragsfähigen Inlands-Umsatz von ca. 100 T€ netto. Die Umsätze der ausländischen Kunden hat es aus der Sicht des Hilfsprogrammes mal eben nicht gegeben.
In Summe reden wir also über versprochene Hilfsgelder von etwa 75T€.
Millionenbeträge gingen hingegen schnell (Lufthansa, TUI, Autoindustrie, Bahn etc.).
Was mich nervt:
Einerseits werden vollmundige Versprechungen unbürokratischer Hilfe gemacht.
In der Praxis heißt das aber, dass ich einen Antrag nur dann stellen kann, wenn ich einen sogenannten „prüfenden Dritten“, also einen Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwalt damit beauftrage. Bezahlen darf ich den natürlich - selbst.
Andererseits nervt eine Verwaltung, die meint, sie sei der Nabel der Welt und der Mittelständler gefühlt irgendwas zwischen Bettler und Betrüger. Jemand, bei dem man ganz genau hinschauen muss und der jede Menge Material bis zu einem Stichtag bereitstellen muss – ansonsten wird mit Verweigerung oder der Rückforderung von Hilfen gedroht.
Die politischen und verwaltungsseitigen Akteure sollten sich folgende Dinge klarmachen:
Grundsätzlich gilt - Politik
und Verwaltung werden aus Steuergeldern finanziert und ernährt.
Diese Steuergelder werden ausschließlich von Unternehmen erwirtschaftet, direkt über die Unternehmenssteuern und indirekt über die Steuern der Arbeitnehmer. Denn auch deren Bruttolohn muss vom Unternehmen erst einmal verdient werden.
Für mich gilt zusätzlich:
1)
Die gesamte Messe- und Veranstaltungsbranche kämpft seit fast einem Jahr um das
blanke Überleben – nicht, weil die Unternehmer zu blöde sind etwas zu
verdienen, sondern weil Ihnen zum höheren Wohle der gesamten Gesellschaft
komplett der Stecker gezogen worden ist, was de facto einem Erwerbsverbot
gleichkommt.
2)
Auch wenn der Rest der Gesellschaft irgendwann die Pandemie und den Lockdown bereits vergisst, dauert es mindestens noch 3 bis 4 Monate, bis der erforderliche Vorlauf im Messegeschäft durch ist und in unserer Branche endlich wieder gearbeitet und verdient werden darf. Das sind in Summe sicher mehr als 1 3/4 Jahre Stillstand.
3)
Der Umbau des Geschäftsmodelles ist also zwingend erforderlich, wenn das Unternehmen eine derartig lange Schließperiode überstehen soll. So ein Umbau kostet eine ganze Menge Geld und darüber hinaus jede Menge Zeit und Arbeitseinsatz. Und hierfür hatte ich die Hilfen eingeplant.
Marktauftritt und Kundenakquise sind hier das Wichtigste – um in Zukunft wieder Steuern zahlen und damit auch Politik und Verwaltung ernähren zu können.
4)
Ich respektiere und akzeptiere gute Verwaltung – aber keinen Papierkrieg!
Dass sich die vorhin erwähnten „prüfenden Dritten“ durch 42 Seiten Anleitung zum Antragsformular für die Überbrückungshilfe III arbeiten dürfen, erinnert mich doch sehr an Reinhard Mey’s „Antrag auf Erteilung eines Antragsformulars“ oder auch an „das Haus, das Verrückte macht“ aus Asterix.
Fatal ist auch der nicht von der Hand zu weisende Eindruck, dass seitens der politischen Akteure und der Verwaltung eben diesen „prüfenden Dritte“ wohl genauso wenig vertraut wird, wie dem antragstellenden Mittelständler selbst. Denn ansonsten kann die Bearbeitung schon von Dritten geprüfter Anträge wohl nicht Monate dauern.
Die Mehrheit der politischen Akteure macht mich sprachlos und wütend.
Insbesondere Minister Altmaier, der meint, dass er die Unfähigkeit der von ihm verantworteten Verwaltung, zugesagte Hilfen in einer überschaubaren Zeit an die Adressaten zu bringen, einfach mal so immer wieder entschuldigen könnte. Und dass, obwohl Ende Februar – 4 Monate nach der Ankündigung der Novemberhilfe - noch bei Weitem nicht alle beantragten Gelder ausgezahlt sind.
Da gibt es nichts zu
entschuldigen – da gibt es nur ein schnelles Nachbessern, ein zügiges
Abarbeiten. Aber nichts davon findet statt, nirgendwo. Konsequenzen –
Fehlanzeige.
Warum auch? Wer selbst regelmäßig sein Geld auf dem Konto hat, kann wunderbar schwadronieren, salamitaktieren oder den Amtsschimmel reiten. Die eigene Position und das eigene Überleben sind ja gesichert.
Handelt ein Unternehmer so, hat
das für ihn Konsequenzen. Eine Entschuldigung interessiert da niemanden. Und
diese Konsequenzen muss er persönlich tragen.
Wütend macht mich auch, dass die Verantwortlichen des RKI gerade allen Ernstes davon reden, dass bei Inzidenzen von unter 10 Veranstaltungen bis maximal 1.000 Leute im Freien möglich seien …… und im Bereich geschlossener Räume mit bis zu 100 Personen.
Was hier als tolle Lockerung verkauft werden soll, ist der Tod für nahezu alle Veranstaltungen.
Für die hinter den Veranstaltungen stehenden Firmen heißt das Insolvenz.
Für die Unternehmer heißt das Vernichtung eines Lebenswerkes und Privatinsolvenz. Was dies für deren Familien und Kinder bedeutet, davon redet in unserem ach so sozialen Staat - keiner.
Für die Mitarbeiter und deren Familien heißt das Harz IV.
UND DAS betrifft fast 3 Mio. Menschen – vom Orchestermusiker bis zum Platzanweiser, vom Schauspieler bis zum Bühnentechniker, vom Messeveranstalter bis zum Techniker vor Ort.
Eigentlich kann man hier nur annehmen, dass diese Leute etwas gegen Kunst, Kultur, Theater, Kino, Messen und dergleichen haben – oder aber ihre aktuelle mediale Bedeutung bei einem Abebben der Pandemie nicht wieder verlieren wollen.
Egal ob Virologen, Epidemiologen, RKI oder no-Covid-Experten - deren Arbeitsplätze und Einkommen sind ja nicht gefährdet.
Mir und vielen meiner Unternehmerkollegen bleibt hingegen wieder nur die eigene Initiative, das eigene Investment bis an die Grenzen dessen, was der Unternehmer und seine Familie finanziell, emotional und zeitlich leisten können. Das kostet private Rücklagen, das kostet die Alterssicherung und das ist seelisch extrem belastend für alle Betroffenen.
Und es beschleicht mich – ganz ohne es zu wollen – das komische Gefühl, dass es wohl so gewollt ist. Dass es gewollt ist, den Klein- und Mittelstand zu „entsparen“. Etwas zugespitzter formuliert – zu enteignen.
Die Hilfen für die Großen fließen offenbar schnell und ohne größere Beschränkungen.
Hilfe für die Lufthansa sehe ich noch ein – aber warum die nach Pressestimmen insolvenzbedrohte Galeria Kaufhof Hilfen, hier Kredite, von fast einer halben Milliarde Euro bekommt, erschließt sich mir bei allem Verständnis für Belegschaftsinteressen nicht.
Außer vielleicht aus dem Blickwinkel von Vorwahlkampfgeschenken.
Um Hilfen überhaupt beantragen zu können, muss jeder Klein- und Mittelständler erklären, dass er nicht in Schwierigkeiten ist. Ob das die so oft gepriesenen gleichen Maßstäbe für all sind?
Befassen sich die Handelnden eigentlich mit den wirtschaftlichen Folgen ihres Tuns? Wenn ja, sollten wenigsten die gemachten Zusagen endlich auch eingehalten werden.
Dann wird Ihnen im Klein- und Mittelstand vielleicht auch wieder vertraut.
Nur dann ist die Bezahlung von Politik und Verwaltung aus Steuereinnahmen auch weiterhin gesichert.
Denn die zumeist im Ausland versteuernden Konzerne und die Cum-Ex-Spezialisten werden das nicht zahlen.
Auch Einzelunternehmer, Klein- und Mittelständler und deren Angehörige sind Wähler – ebenso wie deren Mitarbeiter und Angehörige.
Und wir sind Viele!
Und wir wollen Kunst, Kultur und Veranstaltungen aller Art, offene Schulen und Buchläden
– nicht nur Brot und Spiele.
Und wir wollen nachvollziehbare Regelungen und Kriterien.
Ich habe bisher jedenfalls noch niemanden getroffen, der mir plausibel erklären konnte, was am Erwerb eines Buches denn nun gefährlicher sein soll als am Erwerb einer Flasche Schnaps.
Zum Abschluss noch eine sehr
persönliche Meinung:
Das, was im Moment in unserem Land passiert – mit welchen guten Absichten auch immer –
· das billigend in Kauf genommene Sterben ganzer Branchen
· das Stilllegen des kulturellen Lebens
· die Einschränkungen in der Bildung
· die Einschränkung der Reisefreiheit
· die vielen unerfüllten Versprechen
· die ständigen Wiederholungen der immer gleichen Durchhalteparolen
Das, meine Damen und Herren Politiker, gefährdet unsere Form der Demokratie nach meiner Auffassung weit mehr als alle Wirrköpfe irgendwo auf diesem Planeten zusammen.
Das Erlöschen der Diskursfähigkeit – kurz – dass jeder mit einer vom Mainstream abweichenden Meinung, dass jeder, der sich unabhängig Gedanken zu den Problemen unserer Zeit macht, medial niedergeknüppelt und als Leugner oder Schlimmeres gebrandmarkt wird, macht nicht nur mir Angst – es lässt viele Verstummen.
Auch Menschen mit guten und innovativen Ideen werden nicht mehr gehört.
Das, meine Damen und Herren von der Presse, mag zwar temporär gut fürs Geschäft sein, ob es den Idealen von Journalismus - mit denen sie sicher einmal diesen Beruf ergriffen haben - gerecht wird …….
Eine Gesellschaft, die nicht mehr
in der Lage ist, kontroverse Meinungen ohne Diffamierungen auszuhalten, bewegt
sich nach meiner Überzeugung auf einem gefährlich schmalen Grat.
Es ist an der Zeit, dass die meist schweigende Mitte der Gesellschaft wieder laut wird, sehr laut!"
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